Möglicherweise hilfreiche Methoden im Umgang mit belastenden Stimmen

Es gibt sicherlich so viele mögliche Arten und Varianten, Stimmen zu hören wie es stimmenhörende

Menschen gibt. Es gibt bestimmt Parallelen und Berührungspunkte, wie das Stimmenhören empfunden wird, oder wie man damit umgeht. Dennoch sind wir Menschen verschieden, daher ist diese Erfahrung sehr individuell, keine Stimme existiert auf diese Weise, wie ich sie höre, ein zweites Mal, denke ich, sie ist einzigartig, lebt nur in mir.

 

Viele, die dieses Erleben nicht kennen, wollen oft wissen, wie es sich denn anfühlt, Stimmen zu hören und wie ich gegebenenfalls den Leidensdruck verringern kann.

Ich bin bereits mehrere Stunden, bevor die Stimmen kommen, total zerstreut und desorientiert, verwirrt, müde und nicht mehr so belastbar. Betreten sie dann den inneren Raum meiner gedanklichen Sphäre, ist es so, als ob sie in meinen Geist „einschießen“. Selten fühlt es sich gewohnt an, obzwar ich sie ja schon seit über 18 Jahren höre. Meistens fühle ich mich hingegen erschrocken, wie von der Tarantel gestochen. Meine Miene verfinstert sich und mir geht es nicht mehr gut.

 

Oftmals waren es ganz banale, alltägliche Missgeschicke, die mich nervten oder gerade ein unangenehmes Gefühl auslösten, in das sich die negative Stimme dann einhakt. Wenn irgendetwas schief geht, mir etwas runterfällt, ich mich körperlich anstrenge oder Schmerzen habe, dann nützt die Stimme das aus, macht aus einer Mücke einen Elefanten und reitet stundenlang auf meinen vermeintlichen Schwächen und auf meinen Ängsten herum. Dann brauche ich zumeist sehr viel Ansprache, rufe Familienmitglieder, Freunde und Bekannte oder Krisennummern, also die Krisenhilfe oder die Telefonseelsorge an. Das hilft mir, mich abzulenken, ferner sind die Stimmen manchmal auch durch Gespräche verschwunden.

Die 5 Sinne

Sich mit dem Körper über Sinneswahrnehmungen zu verbinden, erlebe ich als sehr heilsam. Mir hilft vor allem die Aktivierung des Gehörsinns und des Sehsinns. Das heißt Musikhören, lautes Lesen, Fernsehen, Gespräche mit anderen Menschen sind mir überaus dienlich. Mir hilft Volksmusik am besten, da die Texte auf Deutsch mich am besten erreichen und dieser unbeschwerte, leichtlebige Charakter dieser Lieder die Schwere besänftigt. Mich auf den Körper zu konzentrieren, erdet mich und holt mich von belastenden Zuständen und Gefühlen wieder herunter.

 

Es kann auch förderlich sein, sich mit einem Massageball abzurollen, irgendetwas in die Hand zu nehmen, was man kneten und drücken kann, um diese schreckliche Ansammlung schlechtester Manieren der Stimmen abreagieren und ausgleichen zu können. Ein Stoffball oder auch Knetmasse können zum Beispiel dafür in Frage kommen. Lasst eurer Fantasie freien Lauf, probiert Dinge aus, wenn es euch möglich ist und stimmig erscheint. Es kann auch unterstützend wirken, das Lieblingsparfum aufzutragen, eine Duftkerze anzuzünden. Ätherische Öle wie Rose und Lavendel entspannen zum Beispiel.

Entspannung und Aktivität

Wenn ich Stimmen höre, muss ich mein System herunterfahren, zur Ruhe kommen und mich regenerieren. Es gibt jedoch ebenfalls Menschen, die sich gerade dann auspowern wollen durch Sport, zum Beispiel durch Spazierengehen, Fußballspielen, Tanzen, Boxen, usw., die dann Vollgas geben, um den Stimmen die Aufmerksamkeit zu entziehen und ihnen eventuell sogar Einhalt zu gebieten.

Wichtig ist, glaube ich, auch hier wieder, herauszufinden, was einem individuell guttut auch im Hinblick auf das richtige Maß, die Intensität der Forderung.

Einige berichten, dass Entspannungsübungen und das Fokussieren auf den Atem sehr unterstützend sein können. Qui Gong, Autogenes Training, Tai Chi, progressive Muskelentspannung, geführte Atemmeditationen oder auch einfach nur Entspannungsmusik werden oft als heilsam erlebt, auch hier sind der Vorstellungskraft keine Grenzen gesetzt. Auf den Balkon zu gehen beziehungsweise das Fenster zu öffnen und tief ein- und wieder auszuatmen, kann bewirken, dass man das Negative etwas mehr loslassen kann, es in den Hintergrund gerät durch das Ausatmen. Man kann auch eine Körperübung dazu machen.

Es gibt so viele Skills, mit psychischen Krisen umzugehen. Auch kognitives Training kann beim Stimmenhören zur Anwendung kommen und Abhilfe, respektive zumindest eine Erleichterung verschaffen. Mathematische Übungen, wie zum Beispiel von der Zahl 100 immer wieder die Zahl 7 zu subtrahieren, außerdem Wortspiele, zum Beispiel sich von einem Tier immer mit dem letzten Buchstaben wieder ein neues Tier zu überlegen, kann die Konzentration mehr oder weniger vereinnahmen. Meine Erfolge damit waren allerdings nur mäßig.

 

Diese Besonderheit, das Stimmenhören, als Ressource zu nutzen, kennen auch viele StimmenhörerINNEN. Diese Phasen der Dunkelheit und des Glücks können auch in ihrer Schönheit Anerkennung finden. Mich kreativ auszudrücken, mich künstlerisch zu betätigen, vermittelt mir das erfreuliche Gefühl, den Stimmen eine positive Bedeutung zu geben, etwas Einzigartiges zu schaffen, scheinbar Unbrauchbares, Schäbiges in etwas Sinnvolles, Glanzvolles zu verwandeln. Schreiben, Malen, Tongestaltung, Schauspiel, Tanz, Gesang, Kochen, Dinge zueinander in Beziehung setzen, usw., all das kann positiv ablenken, indem man die Konzentration darauf lenkt. Es ist so angenehm und schön, in Beziehung zum eigenen Körper und Geist zu treten und sie anzuhören, zu achten, was sie brauchen und was ihnen guttut!

Positive Affirmationen

Für mich ist es definitiv von Bedeutung, wie ich mit mir selbst rede und umgehe, wenn die Stimmen da sind. Innerliche und äußerliche Ausrufe wie „Bitte nicht jetzt!“, „Ich will das nicht!“, „Es ist so arg und unerträglich!“, „Es geht nicht, ich muss …!“ verstärken den Leidenskreislauf oftmals bei mir. Weniger Kampf und mehr Selbstakzeptanz ist Balsam. Doch wenn das nur immer so einfach wäre!

Hier habe ich ein paar für mich bestärkende Sätze, die ich versuche zu denken oder mir laut zu sagen:

 

„Es wird gut.“

„Ich bin mutig und stelle mich meiner Angst.“

„Ich umarme mein inneres Kind.“

„Ich meistere diese Situation.“

„Ich kenne mich aus im Umgang mit den Stimmen, sie sind mir vertraut.“

„In der Dunkelheit kann ich wachsen.“

„Ich verwandle die Schwere in Licht.“

„Das darf ich noch lernen.“

„Ich vertraue auf meine eigene Kraft.“

„Ich liebe mich und mein Leben. Ich bin wertvoll.“

 

 

Die Liste ist endlos fortsetzbar und benötigt wieder viel innere, individuelle Achtsamkeit.

Die Botschaft der Stimmen eruieren

In der Psychotherapie setze ich mich sehr nachhaltig und intensiv mit den Themen, die die Stimmen aufwerfen, auseinander. Bei mir ist es bereits ein jahrelanger Prozess, meine Traumata, die den Stimmen zugrunde liegen, zu heilen. Meine ursprünglichen Ängste und Befürchtungen, meine eigentliche Scham finden mit den Stimmen einen verbalen Ausdruck. Sie formulieren dieses ungewisse, formlose Etwas, das in meiner Seele von Nebelschwaden eingeschlossen ist, in Worten aus, bringen das ans Tageslicht, was ich lieber unterdrückt und vergessen hätte. Sie sind wie ein Echo auf mein eigenes inneres Dilemma. Mir ihre Botschaft wertfrei anzusehen und damit zu arbeiten, erscheint mir deshalb ganz besonders nützlich und zweckmäßig. Jedoch immer in dem Bewusstsein, dass ich nicht das bin, was mir die Stimmen einreden wollen. Mich ausdrücklich und klar davon zu distanzieren und mich gleichzeitig neugierig zu erforschen, ist sehr aufbauend für mich. Stimmen zu hören, muss nicht nur ein Problem sein. Ich nehme es auch als Wunder wahr, ich entdecke das Wunder, das ich bin mit dieser Fähigkeit und entwickle mich damit.

Selbstwahrnehmung und die Wahrnehmung der Stimmen

Lange Zeit habe ich mich immer sehr schuldig und schlecht gefühlt wegen all der hässlichen Dinge, die sich in meiner Seele eingenistet hatten. Ich verurteilte mich für all die schwierigen Gefühle, wie Neid, Eifersucht, Hass, Ungeduld,…Sogar für mein Ego und meine Unfähigkeit, aufopfernd zu sein oder meine mangelnde Bereitschaft zu liebevoller Hingabe, habe ich mich herabgesetzt.

Ich hielt Gefühle für hässlich, die vollkommen normal und menschlich waren, war extrem streng und unbarmherzig mit mir selbst.

Irgendwie ist es sehr einfach, meine Stimmen zu erklären und doch auch wieder so schwer.

Mir fällt jedenfalls auf, dass je mehr ich mich selbst mag, je positiver meine Selbstwahrnehmung ist, desto weniger Angriffsfläche biete ich den Stimmen. Das klingt sehr einfach, doch die Umsetzung von Selbstliebe kann sehr kompliziert und langwierig sein.

 

Hingegen dann ergibt sich ein Lichtblick, eine neue Perspektive und man fühlt sich wieder mehr geerdet, verbunden mit sich selbst und dieser Welt und kann auch das „Monster in sich selbst“ umarmen.

Ich glaube, solche Momente kennt jeder von uns. Diese tief errungene Weisheit und Einsicht in menschliche Schwächen können durch besonders schwierige Lebenserfahrungen kommen, man hat das Leben in seiner Tiefe kennengelernt. Dass wir alle diese Oberfläche durchstoßen und das Licht wieder sehen und spüren, das wünsche ich mir.

 

Hier ein Text von Ulrich Schaffer:

„Bei sich sein, heißt auch

dem Fremden in sich zu begegnen,

Überraschungen zu erleben,

sich sogar vielleicht zu erschrecken über etwas,

das man nicht in sich vermutet hat.

Das alles gehört zu uns

und hat seinen rechtmäßigen Platz –

auch dann noch, wenn andere es uns ausreden wollen.

…“

 

Durch Selbstliebe nehme ich den Stimmen den Wind aus den Segeln, ich nehme sie als schräge Vögel wahr anstatt als bedrohliche Dämonen und denke mir: „Mann, quasseln die wieder Blödsinn!“.

 

Ich wünsche mir und allen anderen Menschen, dass wir in diese Einfachheit, Leichtigkeit und Banalität kommen können, die das Leben auch birgt. Damit nicht immer alles so dramatisch sein muss. Es ist nicht immer alles so, wie es scheint. Der Schein ist nicht wichtiger als das Sein, durchbrechen wir die Fassaden der Stimmen und schauen wir hinter die Kulissen! Es lohnt sich!!!!

 

Wie gesagt, es gibt so viele unterschiedliche Stimmen, wie es Menschen gibt, die Stimmen hören. Meiner Erfahrung nach geht jeder anders damit um. Ich hoffe sehr, für den einen oder anderen war ein bisschen etwas Hilfreiches dabei bei meiner Auflistung und Beschreibung einiger Methoden, die ich bei mir oder anderen als unterstützend beobachtet habe.

Ich sende euch sehr empathische Grüße und meine besten Wünsche für einen positiven Umgang mit den Stimmen!

 

Barbara Koller

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Kommentare: 3
  • #1

    Nina (Dienstag, 01 März 2022 16:43)

    Hallo Barbara!

    Ich höre seit 2016 Stimmen und so wie du es hier beschrieben hast erkenne ich mich selbst sogar wieder in einigen Dingen. Tut wieder einmal gut zu sehen, dass man damit nicht alleine ist. Anfangs war diese Denkensweise natürlich noch nicht so wirklich möglich über meine Stimmen, doch jetzt bin ich auch schon so weit das ich mal sagen kann "na heit sats oba scho wieder superlustig" oder "ihr redet sowieso einfach immer nur gegen mich also haut ab" (wenn sie probieren mich schlecht zu machen). Ich bin vor 2 Wochen aus einem neuen Besuch in der Tagesklinik entlassen worden und meine Therapeutin dort meinte vielleicht würde es mir einmal gut tun mich mit anderen die auch Stimmen hören in Kontakt zu setzen. Es hat zwar jetzt noch ein bisschen Zeit gebraucht, doch schluss endlich gesagt & getan :) . Wie du so schön sagtest jeder ist auf seine Art und Weise individuell und dadurch kann man immer wieder neues ausprobieren um wieder ein Stück weit besser mit unseren Stimmen klar zu kommen. Danke für deinen tollen Beitrag und Liebe Grüße Nina

  • #2

    Barbara (Mittwoch, 02 März 2022 16:03)

    Liebe Nina!
    Es stimmt, ich weiß genau wie es sich anfühlt, wenn man Stimmen hört. Die Psychotherapie und auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen haben mir sehr geholfen.
    Ich kann mich ebenso an die Phase erinnern, in der ich noch nicht so weit war, mein schmerzliches Erleben mitzuteilen, meine Melancholie isolierte mich. Es hat im Leben alles seine Zeit, vermute ich. Ich ziehe meinen Hut vor deiner Courage, dich austauschen zu wollen, es ist schön, dass es dir wieder besser geht, das freut mich sehr. Der Blog, den ich schreibe, soll ja Mut machen und Hoffnung schenken. Danke für das Kompliment, ich fühle mich dadurch ganz positiv bestärkt.
    Ich wünsche dir alles Liebe und Gute!

    Herzliche Grüße,
    Barbara

  • #3

    Barbara (Mittwoch, 02 März 2022 21:08)

    Hallo Nina.
    Ich weiß auch, was es heißt von den Stimmen sekkiert zu werden. Anfangs konnte ich überhaupt nicht damit umgehen, jetzt habe ich auch manchmal noch schwer Zeiten, aber ich gebe nicht auf. Es hat im Leben alles seine Zeit, vermute ich. Wirklichen Respekt habe ich vor deiner Courage und Selbstfürsorge, dir Hilfe zu holen und dich austauschen zu wollen. Ich freue mich, dass du eine Besserung spüren kannst. Danke ebenso für das Kompliment, das freut mich sehr. Genau dafür ist der Blog da, um Mut zu geben und Hoffnung zu schenken .
    Ich wünsche dir alles Liebe und Gute auf deinem Weg!

    Herzliche Grüße,
    Barbara