3. Welttag Stimmenhören

In Linz-Ebelsberg trafen sich am 13. September stimmenhörende Menschen aus ganz Österreich. Gastgeber waren EXIT-sozial und Intervoice

Wie gehe ich mit meinen Stimmen um? Sind die Stimmen aus dem Unterbewusstsein, sind es gestörte Hirnfunktionen oder die Nachwirkungen von tragischen Erlebnissen? Diese Fragen erörterten bei der Tagung Betroffene und ExpertInnen. Fakten über das Phänomen Stimmenhören, Informationen über Beratung und Selbsthilfegruppen wurden ausgetauscht.

Rund 3-5% der Bevölkerung hören Stimmen. Stimmenhören ist eine besondere menschliche Wahrnehmungsform, die zwar Leiden hervorrufen kann, unter günstigen individuellen und sozialen Voraussetzungen aber das Leben bereichern kann. Leider wird Stimmenhören heutzutage vor allem als Symptom psychischer Krankheit betrachtet und StimmenhörerInnen werden als Verrückte stigmatisiert.

Zum Programm der Tagung gehörten vormittags Kurzreferate über Sichtweisen des Stimmenhörens, am Nachmittag wurden ein Malworkshop, Schreibwerkstatt und eine Selbsterfahrungsgruppe angeboten.

Als ReferentInnen waren eingeladen:
Manfred Schweiger, Monika Mikus, Stephanus Binder und Renate Gerstner, alle StimmenhörerInnen sowie Andrea Maria Lehner, Psychotherapeutin und Charles Schneider und Marlene Weiterschan, beide BetreuerInnen bei EXIT-sozial. Michael Jansky hat die Veranstaltung moderiert.

 

am Podium v.l.n.r.:
Manfred Schweiger, Stimmenhörer;
Renate Gerstner, Stimmenhörerin;
Stephanus Binder, Stimmenhörer;
Monika Mikus, Stimmenhörerin;
Michael Jansky, Moderator

 

am Podium v.l.n.r.:
Manfred Schweiger, Stimmenhörer;
Renate Gerstner, Stimmenhörerin;
Stephanus Binder, Stimmenhörer;
Monika Mikus, Stimmenhörerin

Renate Gerstner schilderte in ihrem Vortrag die zurückliegenden Jahre ihres Lebens: schon mit 17 Jahren hörte sie erstmalig Stimmen, die sich im Laufe der Zeit immer wieder meldeten. Die Stimmen seien göttlich, so Renate Gerstner, Jesus spreche direkt zu ihr. Immer wieder kamen psychische Zusammenbrüche dazu, während ihrer elfjährigen Ehe war sie auch in psychiatrischer Behandlung.
Obwohl sie die Stimme von Jesus auch heute noch als positiv erlebt, war sie auch mit schlechten Stimmen konfrontiert, die ihr befahlen vom ersten Stock ihres Elternhauses zu springen. „Ich sprang kopfüber vom Fenster und landete Gott sei Dank auf Wäscheleinen, die mich auffingen. Ich dachte, jetzt hätte ich es hinter mir und hörte eine Stimme: „Öffne Deine Augen!“ Das wollte ich aber nicht und langsam riss die Leine und ich stürzte auf den Boden. Das Schlüsselbein war gebrochen und ich hatte eine Kopfverletzung. Ich war zu Fuß ins Krankenhaus unterwegs und unterwegs blieb ein Auto stehen und sie holten die Rettung von meinem Geburtsort. Sie behandelten mich und ich wurde dann wieder ins WJKHüberstellt zur Behandlung.
Dort kam ich auf eine geschlossene Abteilung und blieb 3 Monate in Behandlung, mit der Aussicht auf einen Wohnplatz im Übergangswohnhaus, in der Kaisergasse.“ Nach vielen Tiefphasen und Problemen nahm Renate Kontakt zu einer Beratungs- und Betreuungseinrichtung auf. Dort traf sie auf andere Betroffene und fühlte sich gut aufgehoben. Heute kommt sie mit den Stimmen gut klar und empfiehlt anderen StimmenhörerInnen, die Stimmen anzunehmen und bei Problemen Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Stephanus Binder, der nicht nur als Stimmenhörer, sondern auch als Psychiatriebetroffener schon seit langem in der Öffentlichkeit über sich spricht, wies in seinem Vortrag darauf hin, dass er die sieben verschiedenen Stimmen, die er höre, nicht für ein rein biologisch-medizinisches Phänomen halte, es sei auch kein Ausdruck einer Krankheit. Wichtig sei, mit den Stimmen umgehen zu lernen. Erst, wenn man das nicht schaffe, könnten die Probleme damit zu einer Krankheit werden. Dann solle man Hilfe von Ärzten oder Therapeuten annehmen. Er warnte allerdings davor, nur die Symptome zu behandeln, wichtig sei die Suche nach der Ursache. Ihm selbst habe die Unterstützung einer Psychotherapeutin gut geholfen.

Einen ähnlichen Ansatz hatte auch Marlene Weiterschan, Betreuerin bei EXIT-sozial. Stimmenhören solle man nicht als Krankheit sehen, es könne aber krank machen. Wenn der Umgang mit den Stimmen nicht funktioniere, könnten auch Medikamente helfen. Medikamente seien nicht das Allheilmittel, aber besser, als wenn man Verzweiflungstaten begehe. Wichtig sei auch, über das Stimmenhören zu sprechen, sich nicht in die Einsamkeit drängen zu lassen. Das Gute an den Stimmen sei, sie als zusätzliche Wahrnehmungsebene, als zweite Bewusstseinsebene, als Helfer und Ratgeber zu sehen.
Das Motto der von Weiterschan mitbetreuten Selbsthilfegruppe Intervoice sei, die Sichtweisen und Erklärungsmuster von stimmenhörenden Menschen zu akzeptieren, auch wenn sie fremd erschienen.
In den 16 Jahren, in denen sie sich mit Stimmenhören beschäftigt, habe sie viele Menschen erlebt, die mit und trotz ihrer Stimmen eine gute Entwicklung genommen hätten und selbstbewusst damit umgingen. Das habe ihre Achtung vor diesen Menschen gestärkt.


Michael Jansky, Moderator


Doris Holzknecht-Holzhacker und Christian Holzknecht,
Kunsttherapeut/in und Betreuer/in bei EXIT-sozial,
gestalteten einen Malworkshop


Referate:

Renate Gerstner, Stimmenhörerin

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Andrea Maria Lehner, Psychotherapeutin

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Monika Mikus, Stimmenhörerin

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Charles Schneider, Betreuer bei EXIT-sozial

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Marlene Weiterschan, Betreuerin bei EXIT-sozial

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